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Mr. and Mrs. Smiley in Asien

Wer in Asien von Einheimischen in einem Meeting als Mr. and Mrs. Smiley vorgestellt wird, hat Grund zum Lächeln. Das Lächeln gehört hier zum guten Umgangston und ist ein Ausdruck der Höflichkeit. „Mr. and Mrs. Smiley“ ist wohl das größte Kompliment, das man uns schenken kann. Wir freuen uns  ehrlich – in (und auf) Vietnam.
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Mr. and Mrs. Smiley am Borobodur-Tempel auf Java.


Hanoi. Das letzte Mal war ich hier 2007 – als Reisejournalistin. Gedruckte Erinnerungen: „Die Landschaft zwischen Hanoi und Saigon könnte beeindruckender nicht sein. Saftig grüne Reisfelder, bunte Götterwelten und Naturwunder wie die Halong-Bucht rauben einem den Atem und eignen sich bestens dazu, Vietnam als Tourismusziel zu fördern. Seit Präsident Clinton 1994 das US-Embargo aufhob, wurde Vietnam als Reiseland salonfähig. Die Besucherzahlen haben sich seit damals vervierfacht – seit 1990 verzwanzigfacht! Wer Vietnam fühlen  möchte, so wie es ist – ursprünglich, herzlich, bunt  und ganz eigen –, der sollte dies also bald tun; bevor Fastfood-Ketten zwischen Garküchen und Marktständen hervorblitzen.
Kommunismus und Kapitalismus, Pepsi und Parteitreue, Wasserbüffel und Wirtschaftswachstum sind in Vietnam kein Oxymoron. Was würde „Onkel Ho“ Chi Minh wohl dazu sagen? Dass er sich nicht im Grabe umgedreht hat, kann man in Hanois Ho-Chi-Minh-Mausoleum nachprüfen.  Dort liegt er nämlich. Aufgebahrt, bewacht und hinter Glas – und sieht dabei auch fast dreißig Jahre nach seinem Tod noch unwirklich frisch aus. Das mag auch an den frischen Temperaturen in der Gedenkstätte liegen. Kälte und Mausoleums-Stimmung jagen Schauer über den Rücken. Zwischen Oktober und Dezember ist Onkel Ho zur „Restaurierung“ in Russland. Aber frei nach dem Motto: „Big uncle is watching you“ lacht sein Abbild das ganze Jahr über von den Wänden der Häuser der Vietnamesen.
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Ho-Chi-Minh-Mausoleum in Hanoi.
Doch natürlich hat Hanoi mehr zu bieten als vietnamesisch-kommunistisch gefärbte Geschichte. Die Hauptstadt ist quasi das Tüpfelchen auf dem i von Vietnam; eine reife Schönheit, die Fremden nur die Lachfalten ihres langen Lebens präsentiert. Sie hat Stil und altert in Würde. Ihr Mittelpunkt ist der Hoan-Kiem-See, der „See des zurückgegebenen Schwerts“, der der Stadt Ruhe spendet, zwischen dem lebhaften Treiben derer, die sie bewohnen. Eine rote Holzbrücke führt zu einer kleinen Insel, die von einem großen Heiligtum überthront wird – dem Jadebergtempel. Im See selbst soll eine verzauberte Schildkröte leben.
Verzaubert mutet auch das Gassen-Labyrinth der Stadt an. Mag der Fortschritt in Vietnam auch auf rasantem Fuße unterwegs sein, so scheint er sich in den unzähligen Winkeln Hanois wohl verlaufen zu haben – die Stadt blieb typisch.  Noch immer ist die Altstadt in 36 nach Zünften geordneten Gässchen gegliedert, noch immer staunen Besucher über die unglaublich schmalen Hanoier Altstadthäuser, die erst auf den zweiten Blick ihre „tiefere“ Bedeutung enthüllen. Der Sinn dieser architektonischen Eigenart ist gleichwohl simpel wie genial: Handel und Handwerk spielen sich an der Straßenfront ab. Um möglichst vielen Familien einen gewinnträchtigen Platz an der Straße zu sichern, baute man die Häuser extrem schmal und streckte sie dafür in die Tiefe, wo sie in der Regel bis zu 70 Meter messen. Die Räume sind nach Wichtigkeit gereiht: Ganz vorn der Laden, dann die Werkstatt, gefolgt vom Innenhof, der für Licht- und Luftzufuhr sorgt. Dahinter staffeln  sich schließlich diverse Schlafräume und die Küche.“
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In Hanois Gassen, um ein geeignetes Gastgeschenk für die Essenseinladung am Abend zu finden. Unser Guide empfahl uns: Schmuck oder einen Schal für die Hausherrin. Eine Krawatte für den Gastgeber. Und Süßes für die Kinder.
Schon damals bereiste ich Vietnam von Nord bis Süd – jedoch mit großen Flug-Einheiten dazwischen und im Schnell-Durchlauf. Wie es auf Pressereisen meistens so ist/war.
Heute, 6 Jahre später, ist vieles für mich anders:

  • Dieses Mal  bereisen wir die 1600 Kilometer von Hanoi bis Saigon (und noch mehr, da wir bevor wir in den Süden reisen noch weiter in den Norden bis an die Grenze zu China hochfahren werden) langsamer auf dem Landweg. 4 Wochen nehmen wir uns Zeit, reisen mit dem Auto, zu Fuß, per Schiff und mit dem Zug.  (Nach den vielen Flügen und Anschlussflügen von München nach Indonesien – Bali, Java, Sulawesi und dem Weiterflug hierher bin ich, als Flugängstliche, darüber besonders dankbar. Und als nachhaltende Reisende sowieso)
  • Dieses Mal reisen „WIR“ (mein Lebens- & Geschäftspartner Matthias und ich) – nicht nur ich alleine. (eine ganz neue Erfahrung für mich – und eine ganz schöne!)
  • Dieses Mal bin ich nicht als Journalistin hier – sondern als Karmalaya-Gründerin auf der Suche nach sinnvollen Projekten, in die engagierte Volunteers bedürfnisorientiert entsendet werden können. Auf der Suche nach den schönsten, verstecktesten Orten, die Freiwillige ergänzend zu ihrem Freiwilligenaufenthalt erleben können.
  • Dieses Mal bin ich sechs Jahre älter und Gott sei dank um viele Erfahrungen und viel (interkulturelles) Wissen reicher. Nicht zuletzt durch Karmalaya. So weiß ich: Lächeln ist in Asien kein „nice to have“, sondern ein absolutes „must have“. Immer. Und es lohnt sich. Bei unserem ersten großen Meeting mit unserem neuen Partner in Hanoi stellt uns ein Kollege, der uns bereits ein paar Tage zuvor begleitet hatte, dem Team als „Mr. and Mrs. Smiley“ vor. Eine hohe Anerkennung hier. Denn wir Mitteleuropäer sind in Asien oft eher als unfreundlich und nörgelnd verrufen. Jammern oder alle Arten von schlechter Laune sind aber in Asien (speziell u.a. hier in Vietnam, aber auch in Indonesien, wo wir vor unserer Vietnam-Recherche 2 Wochen waren) verpönt. Skurril: bei meinen Recherche für diesen Artikel bin ich eben auf einen neuen Trend in Süd-Korea gestoßen >  „Smile-Lipt“, eine Kombination der Wörter „Lippe“ und „Lift(ing)“. Für ein dauerhaft strahlendes Lächeln lassen sich Frauen dort operativ die Mundwinkel hochziehen..
  • Dieses Mal sind wir ganz nah dran – an Vietnam. An den Menschen. Wir leben und arbeiten mit ihnen, entwickeln gemeinsam neue Ideen, suchen kreative Lösungsansätze für schwierige (soziale) Probleme. Und das freut mich am meisten! Denn das war vor fast 4 Jahren eines meiner Hauptmotive Karmalaya zu gründen. Ich wollte nicht mehr „nur“ oberflächlich reisen, als Journalistin in schönen Hotels untergebracht sein, schnell-schnell ein Land nach dem anderen „konsumieren“. Ich wollte mehr über die Kulturen erfahren, über die Menschen, wollte etwas bewirken (idealistisch-kitischig: Gutes tun), Menschen „bewegen“ – physisch gesehen, also sie in ferne Länder bringen, um ihren Horizont zu erweitern. Und emotional: durch den intensiven Kontakt mit bewegenden Projekten in Entwicklungsländern. Heute bewegen wir mit Karmalaya jährlich bereits hunderte von Volunteers.  Das Schöne: wir bewegen auch immer uns selbst. Gestern zum Beispiel wieder. Wir fuhren in den My Duc-Distrikt, ca. 1 Stunde von Hanoi City entfernt, um das erste potentielle Sozialprojekt für Karmalaya in Vietnam zu  besuchen und Zeit mit den Verantwortlichen und den Kindern zu verbringen.

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Fröhliches „Zu-Prosten“ mit Lotusblütentee im Projekt.
Das Projekt ist eine Eigeninitiative einer vietnamesischen Nonne, die – nach langen Jahren der Mission  – nach Vietnam zurückkehrte und hier ihre Berufung fand. 28 Kinder umsorgt sie gemeinsam mit vier anderen Nonnen und drei Novizinnen in den sehr einfachen, von der Kirche zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten. Es ist eine Einrichtung für behinderte Kinder. Und nachdem wir nun dort waren, ist es mir ein echtes Anliegen 1.) Spenden für das Projekt zu sammeln. Und 2.) Volunteers dorthin zu entsenden, um zu helfen – und zu lernen. Ich hoffe, wir finden viele Freiwillige, die sich dort engagieren möchten! Leider ist das für Projekte mit behinderten Kindern nicht immer so einfach. Viele möchten lieber in „einfacheren“ Projekten arbeiten. Es ist verständlich, denn die Arbeit ist sicher anspruchsvoll. Bei unserem Besuch müssen wir beide schnell unsere Tränen wegwischen. Es ist bewegend, traurig, schockierend. Aber ist es nicht genau das, was Volunteers möchten? Helfen, wo Hilfe dringend benötigt wird?
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Der junge Mann ist 17 Jahre alt...
Sozialprojekt für behinderte Kinder Vietnam
„Entdeckt“ hat diesen Ort Joseph, der ihn wiederum unserem lokalen Partner ans Herz legte. Und nun sind wir hier.  Wir sitzen am Tisch mit Ngat, der Nonne, die den Kindern ihr Leben widmet. 2 Jahre schlief sie nachts auf zusammengeschobenen Stühlen. Ihr Bett hatte sie den Kindern gegeben. Anfangs waren es nur wenige, dann wurden es immer mehr. Kinder mit Behinderungen trifft es in Entwicklungsländern besonders hart: so sie das Glück haben zu überleben, werden sie auch heute noch oft versteckt und ausgestoßen. Viele Menschen in den Dörfern glauben nach wie vor, dass geistige und körperliche Behinderungen ein Fluch der Götter sind! Grundlegende Menschenrechte wie Gesundheitsversorgung und Zugang zu Bildung bleiben den Kindern verwehrt. Vor kurzem erst wurde ein Baby vor Ngats Tür gelegt. Völlig unterernährt. Immer wieder werden Kinder mit Behinderungen einfach bei ihr „abgestellt“. Ngat nimmt sie auf, teilt das Wenige, das sie hat. Der Verkauf von Lotusblütentee ist ihre einzige magere Einnahmequelle. Ansonsten sind sie auf Spenden angewiesen.
Projekt für behinderte Kinder Vietnam
Vor der Kirche mit Joseph und Nonne Ngat.
Joseph ist gläubiger Katholik. Geboren wurde er 1972, gegen Ende des Vietnamkriegs. Beim gemeinsamen Mittagessen isst er – gleichwohl satt – alle Überreste unserer vielen aufgetischten Speisen auf. „When I was young, we suffered a terrible hunger. That is why, I always have to finish all the food“, erklärt er. Mit 6 Jahren wurde er von einem australischen Ehepaar adoptiert, die ihn auch während seiner Jugend immer ermutigten seine vietnamesischen Wurzeln nicht zu vergessen. Er studierte in den USA und kehrte nach all den Jahren als erwachsener Mann in seine Heimat zurück. Heute arbeitet er hauptberuflich als Sales Manager für eine renommierte Hotelkette. Er  verdiene sehr viel im Vergleich zum Durschnitt, sagt er. Dennoch reiche es am Ende immer nur für genügend Reis für seine Tochter und ihn und für das Nötigste. Das darüber Hinausgehende spendet er. Unter anderem an die Einrichtung für die behinderten Kinder, die er vor einem Jahr das erste Mal besuchte. Auch seine Zeit spendet er – als Freiwilliger in vielen Projekten in vielen Regionen. Vor ein paar Tagen gerade fuhr er nach Zentralvietnam, um bei der Essensausgabe für die vielen Sturm-Flüchtlinge zu helfen. Der Taifun Nari hat dort schwere Verwüstungen angerichtet. Bei starkem Wind und heftigen Regenfällen kamen mindestens elf Menschen ums Leben, wie die Katastrophenschutzbehörden mitteilten. Der Wind riss Strommasten um und deckte Häuser ab. Der Regen ließ Flüsse über die Ufer treten und überschwemmte Felder und Dörfer. Mindestens sechs Menschen wurden nach Angaben der Behörden am Donnerstag noch vermisst. 14.000 Häuser seien beschädigt oder zerstört worden, 120.000 Menschen vor dem Sturm in Notunterkünfte geflüchtet. Während unserer Reise werden wir selbst auch dort vor Ort sein. Und hoffentlich können auch wir unseren Beitrag leisten.
Morgen wird uns unsere Reise aber erst noch in den Norden führen. Wenn ich hoffentlich wieder fit bin – denn heute lieg ich mit Fieber im Zimmer, während Matthias nach Phu Tho, in den Heimatort unserer lokalen Partnerin, reiste. Sie besuchen dort ein engagiertes Schulprojekt für vietnamesische Minderheiten, die dort kostenlos Zugang zu Bildung erhalten. Auch hier möchten wir ab 2014 gerne Volunteers entsenden. Da ich „zurückblieb“, hab ich zumindest Zeit diesen Blogeintrag zu schreiben. Unser Programm während unserer Karmalaya-„Tournee“ ist trotz der 10 Wochen, die wir unterwegs sind, sehr dicht. Und da wir oft bei lokalen Familien übernachten, können wir auch abends nicht einfach mit dem Laptop „verschwinden“ – das wäre sehr unhöflich. Daher bitten wir um Verständnis, dass der Blog nur nach und nach mit Updates (und nicht immer chronologisch) mit Leben gefüllt wird. Natürlich werden auch noch „Texthappen“ und Eindrücke von unserer Recherche in Indonesien folgen. Dort gab es für uns eine Dreiteilung: 1. Bali – wo wir in einer balinesischen Villa ein paar Tage „honeymoonten“ (und in wunderschönem Ambiente Computerarbeiten erledigten – paradiesisch!). 2. Auf Java, wo wir unseren Partner besuchten und u.a. ein neues großes Projekt für taube Mädchen und Buben. 3. Erkundung von Süd-Sulawesi – inklusive Gastfamilien, Projekte und Traumstrand.
Frangipani Villa Bali
Honeymoon auf Bali: Villa Bermimpi Frangipani – sehr zu empfehlen!
Gastfamilie
„Eltern“ auf Zeit.
Traumstrand in Süd-Sulawesi
Traumstrand in Süd-Sulawesi. Wow!!
Auf ein baldiges Wiederlesen – aus Vietnam.
te (tina eckert/eder)