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One week in Nepal – Wachstum, Gedankenstürme & Herzschmerz

Mittwochfrüh bis Dienstagabend war ich in Kathmandu. Und ja, auch eine Woche Nepal lohnt sich. In meinem Fall ging es aber nicht um „Urlaub“ (auch wenn viele in meinem Umfeld mir immer noch schönen selbigen wünschen und nicht ganz verstehen wollen, dass eine Reise für mich eher in Ausnahmefällen mit klassischen Urlaubsvorstellungen, Erholung und „dolce far niente“ einhergeht).  Viel mehr war die Woche geprägt von engen Zeitplänen, Coachings, konstruktiven Meetings, Brainstormings, Projektbesuchen und Herzschmerz.
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Team-Meeting: Bhagwan, Arun, Sushil & ich (Tina)
Ein Unternehmen zu führen heißt Mitarbeiter zu führen. Heißt den Weg vorzugeben, in die Zukunft zu blicken, Stärken zu stärken und Konflikte/Probleme zu lösen. Heißt: Kommunikation, Motivation, Organisation, Delegation, Information. Heißt: permanente (Weiter-)Entwicklung der Strategie, des Unternehmens und der eigenen Persönlichkeit.  Gewinnung und Bündelung „externer „Energie“, Kontrolle, Erarbeitung, Überarbeitung der Werte und des unternehmerischen Traums. (Die letzten Punkte sind Stefan Meraths Managementbuch-Klassiker „Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“ entnommen und fallen mir tagtäglich via Post-it auf meinem Computerbildschirm ins Blickfeld; siehe Foto).
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Post-it-Reminder.
Als ich Karmalaya gründete, war ich 27. Da denkt man nicht sofort an all diese Dinge. Heute stehen diese Themen natürlich im Fokus.  Damals aber war ich „nur“ von einer großen Idee/Vision getrieben. Ja, „getrieben“ ist das richtige Wort. Tag und Nacht arbeitete ich an der Verwirklichung meines Traums, Karmalaya. Wenn ich zurückdenke, muss ich fast schmunzeln, denn, als ich mich damals endlich auf den Namen „Karmalaya“ festgelegt hatte und das Logo fertig war, dachte ich doch glatt, dass ein Großteil der Arbeit schon geschafft sei. „Karmalaya“ nannte ich das „Baby“ übrigens (für alle, die es noch nicht wissen) in Anlehnung an das hinduistische Prinzip des „Karma“ (vereinfacht gesagt: Gutes tun und Gutes zurückbekommen) und den Himalaya, weil dort die ersten Projekte lagen.
2009/10 war auch „nur“ Nepal als Projektstandort angedacht. Dass Karmalaya aktuell in weitere Länder wächst (ganz neu ab Ende des Jahres: Uganda) hat nichts mit einer Veränderung unserer Werte oder unserer Ausrichtung zu tun. Wir sind und werden kein „gesichtsloser Konzern“, nein. Wir arbeiten anders, als „Große“ und sind natürlich dennoch nicht mehr „klein“. Allein nach Nepal dürfen wir aktuell über 200 Freiwillige mit nachhaltigen Projekten vernetzen. Weit über 50 Menschen können wir in Nepal damit schon Arbeit geben, ihnen helfen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das können wir nur deshalb, weil unsere Programme kostenpflichtig sind. Wir bekommen keine staatlichen Förderungen – und sind daher auf die Reiseeinnahmen unserer Teilnehmer angewiesen. Anders würde unser Konzept nicht funktionieren. Das wissen mittlerweile die meisten. Und die, die uns kennen, wissen, dass das Geld gut „umgewandelt“ wird und man sich auf uns verlassen kann. Letzte Woche erzählte eine neue Teilnehmerin Matthias auf die Frage, wie sie denn auf uns gestoßen sei, dass sie sich bei der Botschaft in Berlin nach vertrauenswürdigen Volunteering-Organisationen für Nepal erkundigte. Die Botschaft nannte einige der staatlich geförderten Einrichtungen und einen nachhaltigen privaten Veranstalter: Karmalaya. Das freut und motiviert uns!
Motivation war auch einer der Tagesordnungspunkte vergangene Woche in Nepal. Denn vieles ist in Nepal anders – nicht nur das Offensichtliche. Motivation findet im unternehmerischen Umfeld wenig/kaum statt. Umso besser wird Motivation angenommen. Auch Kritik. In gemeinsamen Sitzungen mit Bhagwan (wir haben Karmalaya 2010 gemeinsam in und für Nepal  gestartet) und unseren nepalesischen Haupt-Koordinatoren Sushil und Arun haben wir vieles besprochen, SWOT-Analysen fürs Unternehmen und fürs Team (bzw. uns selbst) erstellt, das vergangene halbe Jahr unter die Lupe genommen und uns schließlich auf die Zukunft konzentriert. Was liegt in der Zukunft? Neue Projektregionen mit neuen Projekten und die Nachjustierung bestehender Projekte auf den vorgegeben Fokus: Nachhaltigkeit! Was für uns nicht/zu wenig nachhaltig ist, muss genauer betrachtet werden – und manches Projekt wird auch, wenn nach mehrstufigen Optimierungs-Prozessen nicht Besserung in Sicht ist, „gehen“ müssen.
BildBeim Besuch der Tagesstation für behinderte Kinder in Bhaktapur.
Neu mit aufnehmen werden wir unter anderem ein Tageszentrum für behinderte Kinder in Bhaktapur. Es war einer der Momente, in denen es mir das Herz zusammenschnürt und ich mit den Tränen kämpfen musste, als wir den Standort zum ersten Mal besuchten. Bis zu 40 Kinder werden hier täglich von ihren Eltern hingebracht (oft auf dem Rücken hingetragen), damit sie von den liebevollen Mitarbeitern dort betreut werden und sie selbst arbeiten und Geld verdienen können. Bis zu 40 Kinder – und nur 5 Mitarbeiter! Hilfe wird echt dringend benötigt! Große Hilfe, im Sinne von Experten im Bereich Sonderpädagogik oder auch Physiotherapie. Und kleinere Hilfe, im Sinne von Freiwilligen, die einfach mitanpacken, helfen, die teils schwer behinderten Kinder zu füttern, zu waschen, zu pflegen, sich mit ihnen beschäftigen, zu spielen, ihnen Liebe und Zuneigung schenken. Die Arbeit ist auf jeden Fall anspruchsvoll – und man sollte sich im Vorfeld damit beschäftigen, ob man der Sache gewachsen ist. Natürlich empfehlen wir auch immer, sich schon in der Heimat vorzubereiten. Zumindest ein paar Tage Mithilfe in einer ähnlichen Einrichtung zuhause ist empfehlenswert. Kann ich mit behinderten und schwer behinderten Kindern arbeiten?  Wenn ja: bitte bei uns melden: office@karmalaya.com. Bis zu 8 Volunteers können wir dort zeitgleich platzieren. Untergebracht ist man als Freiwilliger dann direkt in Bhaktapur. Die Stadt liegt ca. 14 Kilometer östlich von Kathmandu und ist die ursprünglichste der alten drei Königsstädte. Die Stadt ist für den Autoverkehr gesperrt und man hat so häufig das Gefühl ins Mittelalter zurückversetzt zu werden. Bhaktapur ist definitiv einer meiner Lieblingsorte in Nepal.
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Verkehrsfreies, wunderschönes Bhaktapur!
Und Boudhanath! In Boudhanath liegt mit dem Stupa von Boudha das bedeutendste buddhistische Heiligtum des Kathmandu-Tals. Der Stupa ist mit 40 Metern Höhe der größte Sakralbau im Tal. Er liegt ca. 8 km von Kathmandu entfernt an der Straße in Richtung tibetischer Grenze. Hier liegt auch das Zentrum des tibetischen Buddhismus in Nepal. Nach der Flucht des Dalai Lama und damit verbunden auch der Flucht vieler Tibeter 1959 aus Tibet, entstand hier ein neues religiöses Zentrum für tibetische Flüchtlinge, was auch durch den Bau vieler neuer Klöster sichtbar ist. Hier, mit direktem Blick auf den Stupa, hatte ich fast 5 Nächte meine „Basisstation“.  Ein guter Ort – zum Arbeiten, Verweilen, Nachdenken.
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Beeindruckend, inspirierend: der Stupa in Boudhanath.
Ein weiteres Ziel für meinen aktuellen Aufenthalt war es, „Frauenpower“ für unser Karmalaya-Team in Nepal zu gewinnen. Auch hier sind wir einen großen Schritt weiter. In Apsara, der Gründerin unseres neu aufgenommen HIV-Waisenheims, denken wir, ein wichtiges und wertvolles Team-Mitglied gefunden zu haben. Eine beeindruckende Frau, die bereits so vieles geschafft hat!  In den nächsten Monaten läuft unsere gemeinsame Testphase. Apsara, 34 Jahre, leitet das Heim in der Nähe des „Affentempels“ – 26 Kinder im Alter von 5 bis 16 Jahren gibt sie dort ein wundervolles Zuhause. Die meisten sind Waisenkinder (Vollwaisen). 21 von ihnen sind außerdem HIV-infiziert! Die Organisation kümmert sich 24 Stunden um die Kinder, versorgt sie medizinisch und ermöglicht ihnen zudem eine schulische Ausbildung. Volunteers werden sowohl im Heim benötigt (helfen, die Kinder schulfertig zu machen, sie ins Bett zu bringen, sie bei den Hausaufgaben unterstützen, kreative Beschäftigung; Mithilfe in der Küche; oder auch Experten aus dem medizinischen Bereich) als auch im Office (aktuell vor allem: dringende Hilfe bei der Erstellung von Fundraising-Konzepten) und in der direkt daneben gelegenen öffentlichen Schule (Englischunterricht, vor allem: Kommunikationstraining). Apsara und ihre Familie möchten außerdem für unsere Volunteers in der neuen Projektregion um den Affentempel Swayambunath (weitere Projekte: Klöster, Health-Zentrum, öffentliche Schulen und Erwachsenen-Bildungszentrum) unsere neue Gastfamilie sein. In ihrem großen Haus können bis zu sieben Volunteers gleichzeitig wohnen – und dabei hautnah nepalesische Gastfreundschaft erleben.
Für unser Kern-Staff in Kathmandu werden wir noch weiter nach weiblicher Unterstützung suchen. Solche gut ausgebildeten, intelligenten und sozialen „Engel“ wie Apsara findet man aber meist nicht an jeder Ecke. Wir werden uns für die Suche Zeit nehmen. Mit Apsara, die neben Soziologie auch Jura studiert hat, haben wir uns übrigens auch schon über die Wahlperiode in Nepal um den 4. November unterhalten – auch hierfür können und werden wir Freiwillige in verschiedenen Bereichen sinnvoll platzieren.
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Abschied nach einer Woche – gemeinsam mit einigen unserer fleißigen Volunteers, Bhagwan und Ama.
Aktuell außerdem auf unserem Radar: die Initiierung und Koordinierung unserer „Herzprojekte“, die wir mit unserer Karmalaya Foundation (die sowohl durch Spenden als auch durch 10-15% aller Reiseeinahmen gespeist wird) finanzieren. Darüber jedoch gesondert in einem weiteren Blog-Eintrag.  Namaste & bis bald, Tina